Die Böhmermann-Affaire

758258_web_R_K_by_Huskyherz_pixelio.deDie Sache mit dem Gedicht von Jan Böhmermann habe ich erst so am Rande mitgekriegt, das Ganze passierte ja als ich im Urlaub war. Erst einmal nahm ich es nur zur Kenntnis und dann, als alle nicht mehr aufhören wollten darüber zu sprechen, war ich doch interessiert. Es ist schwierig oder es geht davon eine große Faszination aus, wenn etwas ganz ganz schlimm ist, aber man weiß selbst nicht, wovon geredet wird. Man bin ich froh, dass ich in einer Zeit von Google und Co lebe. Also habe ich es gesucht, das böse böse Schmähgedicht von Jan Böhmermann. Jetzt ist auch Jan Böhmermann etwas, mit dem ich mich nicht auseinander gesetzt habe, wenn ich die Werbung für seine Sendung sehe und sein schelmisches Grinsen, habe ich erst einmal genug von ihm bis zur nächsten Werbeeinheit. Weil ich mich wenig mit ihm auseinander gesetzt habe und mit dem, was er tut, war es natürlich um so interessanter. Denn bereits das Lied auf Erdoğan und seine Politik vom NDR fand ich sehr witzig.

Was soll ich sagen? Von der grinsenden Katze war ich enttäuscht. Das war sehr sehr flach, ok es reimt sich, wie halt Schmerz und Scherz, und dazwischen bewegt es sich auch, aber das war es dann auch schon. Die Idee vorab zu sagen, dass man das nicht machen dürfte, das erinnerte mich irgendwie an meinen Sohn, so ein kindisches Verhalten halt. Und der Inhalt? Nun ja, lachen musste ich nicht, aber ich wurde auch nicht animiert wie das Publikum. Manchmal beneide ich Menschen für ihr Selbstbewusstsein. Ich glaube auch nicht, dass es als Shakespeare 2.0 gedacht war, aber davon mal abgesehen, es war immer noch schlecht.

Ich finde es persönlich sehr viel besser, wenn man etwas unterschwellig sagt, was schlimmer ist als die Beleidigung. Hätte man die Tierliebe nicht anders formulieren können? Vielleicht liegt es auch daran, dass ich nach dem Urlaub entspannt war, aber ich sah keinen Grund zur Aufregung bis heute nicht. Nach einer Weile fiel mir dann auf und ich begann mich zu fragen, was diese Angelegenheit mit dem psychologischen Phänomen zu tun hat, dass man sagt, dass man sich von dem angegriffen, berührt oder beleidigt fühlt, von dem man im Grunde weiß, dass es wahr ist. Alleine deshalb finde ich es weniger clever, so einen Aufriss zu machen. Wie gesagt, anfangs als es noch nicht zum Topthema wurde, eine Dauereinheit in den Nachrichten, hatte ich es nur zur Kenntnis genommen.

Vielleicht könnten Herr Erdoğan und Frau Merkel ihre intimen Gespräche auch mal dazu nutzen, dass sie ihm zeigen möge, wo der Hase lang läuft, so ganz ohne Tierliebe. Eine kleine Lektion im Drüberstehen, mal zur Abwechslung zum Hofieren. Wie war das noch mal, der, der auch mal nein sagt, dem begegnet viel mehr Respekt? Ich meine, gab es nicht mal ganze Werbekampagnen, in denen einzig und alleine der Frau Merkel ihre Frisur durch den Kakao gezogen wurde oder war es doch ein Hurricane? Und was ist jetzt? An die Werbekampagne kann sich keiner mehr erinnern. Sixt hat die Hände voll zu tun sich gegen die Konkurrenz durchsetzen zu können und Madame Merkel ist die mächtigste Frau der Welt und hat die Haare schön. Auch wenn man meinen könnte, dass durch die Böhmermann-Affaire ihr erneut und jetzt auch tatsächlich die Haare zu Berge stehen.

Und jetzt bin ich gespannt. So schlecht fand ich die Taktik von der Merkel nicht, ich meine, sie hat jetzt alles versucht, was in ihrer Macht stand. Das blöde ist aber auch, dass bei uns nun mal die Gewaltenteilung herrscht und dann kann sie nicht mehr tun, als grünes Licht für die Justiz zu geben. Mein Sohn hatte mir noch letztens ganz stolz erzählt, dass er im Unterricht die Pressefreiheit durchgenommen hat. Deutschland steht im Pressefreiheit-Rang auf Platz 12, mal gucken, wo wir sind, wenn die ganze Episode zu Ende gegangen ist. Ich befürchte nicht wirklich, dass wir uns dem Platz 149 angleichen. Die politischen Angleichungen in der Flüchtlingspolitik mit der Türkei reichen ja vollkommen aus. Wer sich sonst wohl noch so melden könnte, der seine Komplexe im Spott wiedererkennt?

(Foto: Huskyherz / pixelio.de)

3 Gedanken zu „Die Böhmermann-Affaire

  1. Ich verstehe die Sache auch so, daß Merkel eben doch etwas anderes tun konnte, als grünes Licht für die Justiz zu geben. Weil das Gesetz der Regierung die Entscheidung überläßt, ob wegen diesem §103 (also Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter, bis zu 3 Jahre Haft) ermittelt wird oder nicht. Sie hätte auch anders entscheiden können.

    Denn Erdogan ist ja nicht bloß ganz normal beleidigt wie jeder andere auch (obwohl er deswegen auch selber Anzeige erstattet hat, ist auch sein gutes Recht), sondern ihm ging es ja speziell darum, daß die deutsche Regierung gegen Satire vorgeht. Das hatte er im vorigen Fall ja schon einmal versucht, wegen dem Lied von Extra3. Ob es wirklich so wahnsinnig geschickt von Merkel war, neben der normalen Beleidigungsklage auch die Ermittlung wegen Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter zu ermöglichen, bezweifle ich daher sehr.

  2. Der Mangel an Judiz unter den Kommentatoren/Bloggern in der Causa #Böhmermann führt zu sophistischen Solidaritätsbekundungen zugunsten der Bundeskanzlerin, die durch ihre heutige Entscheidung den #Rechtsstaat gestärkt haben soll. Ein Blick in die juristische Literatur macht deutlich, dass die Parallelwertung in der juristischen Laienssphäre nach bloßer Gesetzeslektüre nicht ausreicht, um der juristischen Komplexität der Angelegenheit Herr zu werden.

    Die #Bundeskanzlerin hat im Rahmen einer Strafverfolgung eines deutschen Staatsbürgers gem. § 103 StGB nicht per ordre du mufti, sondern qua parlamentarischem Beschluss die Möglichkeit der Intervention gem. § 104a StGB. Sie hat sich gegen eine solche entschieden und eine Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt. Laut den Aussagen des sozialdemokratischen Außenministers Steinmeier entschied am Ende das doppelte Stimmengewicht der Kanzlerin, da sich die Regierungsmitglieder nicht einigen konnten.

    Die entscheidende Norm für die Verfolgung nach § 103 StGB sagt:
    㤠104a StGB
    Voraussetzungen der Strafverfolgung

    Straftaten nach diesem Abschnitt werden nur verfolgt, wenn die Bundesrepublik Deutschland zu dem anderen Staat diplomatische Beziehungen unterhält, die Gegenseitigkeit verbürgt ist und auch zur Zeit der Tat verbürgt war, ein Strafverlangen der ausländischen Regierung vorliegt und die Bundesregierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt.“

    Als finaler Tatbestand und unabdingbare Prozessvoraussetzung wird expressis verbis eine Ermächtigung zur Strafverfolgung seitens der Regierung gefordert. Die juristische Kommentarliteratur gibt das Gesetz ebenso wieder:

    „Die Ermächtigung erteilt kraft seiner Ressortzuständigkeit der Bundesminister des Auswärtigen.“(Kreß, in: MüKo, § 104a StGB, Rz 25). Ebenso: „Schließlich bedarf es der Ermächtigung (dazu § 77e StGB) der Bundesregierung zur Strafverfolgung. Sie ist von dem Bundesminister zu erteilen, der für die Außenbeziehungen zuständig ist.“(Valerius, in: Beck’scher OK, § 104a StGB, Rz 6). So auch Eser in Schönke/Schröder mit einem wichtigen Zusatz, der von den Gelegenheitsjuristen der großen Tageszeitungen geflissentlich übersehen wurde – die Möglichkeit der Rücknahme der Ermächtigungserstattung: „Die Ermächtigung der Bundesregierung ist von dem für die Außenbeziehungen zuständigen Bundesminister zu erteilen, soweit nicht die Bundesregierung die ihr nach § 104a zustehende Kompetenz an sich gezogen hat. Auch hier ist die Zurücknahme nach § 77e iVm § 77d zulässig.“

    Da hilft es auch wenig, bei Erteilung der Ermächtigung gleichzeitig eine Abschaffung desselben Paragraphen zu antizipieren. Hielte die Bundeskanzlerin diesen archaischen Straftatbestand für obsolet, hätte sie ihr demokratisches Recht aus § 104a StGB wahrgenommen und eine Strafverfolgung verhindert, ohne dabei jemals den Rechtsstaat und dessen Gewaltenteilung zugunsten der Exekutive zu changieren.

    Baron de Montesquieu konstatierte richtig, „wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen“. Im Umkehrschluss bedeutet dies für eine deutsche Regierung, die Pönalisierung aufgrund einer Norm selbstbewusst zu unterbinden, wenn man demokratisch dazu legitimiert ist und die Existenz derselben Norm ohnehin anzweifelt. Der Einwand, mit dieser Entscheidung trete die Kanzlerin en passant jeder Tuquoque-Argumentation des Despoten #Erdogan aus Ankara entgegen, überzeugt genauso wenig, da der Rechtsstaat in § 104a StGB ob der Besonderheit der zu wahrenden Schutzgüter gerade die Intervention der Regierung vorsieht.

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